Warum schweigt man?

In meinem Fall ganz einfach zu erklären. Erst war ich zu jung um zu wissen dass es falsch war was unsere Mutter und dann die Männer mir antaten. Ich dachte, es würde überall so sein. Als ich älter wurde, wusste ich aus der Schule, dass es nicht normal war was zu Hause ablief. Die Geschichten meiner Mitschüler waren so ganz anderes. Aber da waren die Drohungen nichts zuverraten. Drohungen, die ich durchaus ernst nahm, wie zum Beispiel: Wir bringen Deine Schwester um wenn Du redest. Oder: Es wird Dir keiner Glauben und Du kommst in die Irrenanstalt, aber vorher bringen wir Dich um. Und so weiter. Es waren immer Drohungen die lebensbedrohlich für mich oder andere waren. Und diese nahm ich ernst. Ich konnte nicht wissen, ob es in die Tat umgesetzt werden würde oder ob es "nur" gesagt wurde. Ich habe in dem "Kult" auch sehen müssen, wie andere bestraft wurden nur weil sie um Hilfe gebeten hatten.  Mein Schweigen war denen also sicher. Auch durch Bestrafung habe ich nie gewagt nochmals um Hilfe zu bitten. Ja, ich habe versucht Hilfe zu holen, da raus zu kommen. Ein Beispiel. In der Schule erzählte ich meiner Lehrerin was so alles zu Hause und auf den "Kult-Meetings" passiert. Sie hörte sich das an, und sagte dann sie müsse mal telefonieren. Ich dachte, sie riefe die Polizei an wegen Hilfe und so. Leider war dem nicht so. Ich vergaß in dem Drang endlich da raus zu kommen, dass ich gar keinen kenne aus dieser Gruppierung. Die waren alle immer mit Roben angezogen und verdeckten Gesichtern. Nur die, die mich abholten  mit dem Auto kannte ich vom Gesicht her. diese Lehrerin sagte dann ich solle nach Hause gehen, sie würde sich darum kümmern. Das tat sie auch, nur anders als von mir geplant. Ich hatte nicht die leiseste Ahnung, dass sie dazu gehören könnte. Sie war doch eine Lehrerin. Auf dem Nachhauseweg wurde ich dann von einem Auto erfasst. Ich kam ins Krankenhaus und Abends wieder nach Hause. Ich hatte mir nichts gebrochen oder andersweitig schwer verletzt, was einem kleinen Wunder entspricht. Ich war nämlich auf die Gegenfahrbahn geschleudert worden. Abends kam der Fahrer des Wagens vorbei. "Um zu sehen, wie es mir geht", sagte er, aber zu mir flüsterte er, dass ich beim nächsten Mal Tod sein würde. So endete mein Versuch Hilfe von außen zu holen. Was danach als Bestrafung noch so alles passierte, damit ich auch bestimmt nie wieder versuchte darüber zu sprechen, gehört in ein anderes Kapitel. Ich schwieg nach dieser Begebenheit und versuchte nie wieder nach Hilfe zu fragen. Dazu muss ich aber sagen, dass dies nicht mein erster Versuch war Hilfe zu bekommen. Alle vorher waren genauso gescheitert.

Es gibt aber auch andere Formen ein Kind ruhig zu halten. Manchmal mit Drogen (zu Verwirrung des Kindes), manchmal mit Masken (hey, sieht ja aus wie z.B. Mama oder Micky Maus), manchmal in dem ein "Example" statuiert wird (das Lieblingstier wird zu Tode gefoltert vor den Augen des Kindes), manchmal mit immer wieder kehrenden Sätzen des Mißbrauchers (Du magst das, es ist richtig so, alle z.B. Väter, tun das mit ihren Töchtern, wenn Du z.B. Mama was sagst kommst Du in ein Heim) und sehr Vieles mehr. Die Täter sind sehr kreativ um ihre perversen Spielchen vortsetzen zu können. Und als Kind hast Du nie ein Chance zu erkennen: Es gibt Hilfe.

Schweigen tut man aber auch, weil es einem selbst so unwahrscheinlich vorkommt. Weil man denkt es war ein Traum (das Kind wacht im Bett auf nach dem Mißbrauch und hat kein Ahnung wie es dahin kam). Und als kleines Kind kann man noch nicht den Zusammenhang sehen der da auftritt. Dass zum Beispiel der Orangensaft mit Drogen versetzt war, dass das Kind in eine andere "Person" gewechselt war um den Schmerz auszuhalten. Und kein anderes Kind erzählt von Ritualen oder Mißbrauch in anderer Form. Also kann das Kind durchaus zu dem Schluß kommen es alles zu träumen. Manchmal ist das Umfeld während des Mißbrauchs auch so surreal, dass es nicht zu beschreiben geht. Dafür findet man erst Worte, wenn man älter wird. Doch da hat man dann bereits gelernt zu schweigen. Oftmals erinnert das Kind den Mißbrauch auch nicht mehr. Die Seele lernt schnell dies abzuspalten, ganz und gar zu verdrängen. Und nur langsam, wenn man dann sicher ist, kommen die Erinnerungen bruchstückhaft zurück. Da das Kind bereits gelernt hatte, dass keiner einem glaubt, glaubt es unter Umständen sich selber nicht. So war es bei mir. Ich dachte nur, Du hast einen falschen Film geschaut. Das dem nicht so war lernte ich nur langsam. Es ist eben doch nicht alles Phantasie was man erinnert.   

Auch mit der Scham umzugehen kann man lernen. Es ist nur natürlich wenn man sich schämt. Wer würde sich nicht schämen solche intimen Details eines Lebens zu erzählen. Es ist sehr persönlich. Ja stimmt, und oftmals denkt man selber es muss so sein da man es verdient hat. Ja auch dieser Gedanke ist nicht von der Hand zu weisen. Wenn Tiere mit im Spiel sind schämt man sich unter Umständen vor sich selber (das Tier wurde von mir sexuell benutzt/mißbraucht, oder von mir getötet). Bitte sei Dir sicher, diese Gefühle gehören auf dem Heilungsweg dazu. Du hast Dich soch als Kind schon dafür geschämt und es wurde einfach mißachtet. Du wurdest mißachtet. Doch heute muß dies nicht so bleiben. Heute wirst Du beachtet. Heute werden Deine Gefühle von Richtig und Falsch nicht mehr umgedreht. Heute darfst Du darauf hören und danach handeln. Du mußt nicht die Dinge von früher wiederholen oder fortführen. Du darfst frei sein.

Wenn Du heute noch mißbraucht wirst wende Dich bitte an Hilfsstellen. Die findest Du im Internet, im örtlichen Telefonbuch, in manchen Büchern hinten mit aufgelistet. Oder frage bei einer Kirche nach. Es gibt Hilfe Dir zu helfen. Wenn Du dies hier liest, bist Du kein ganz so kleines Kind mehr. Also alt genug um wirklich zu erkennen, wo Hilfe echt ist. Ich war damals zu klein um dies zu erkennen. Bevor das mit dem Auto war, hatte ich es woanders versucht und war auch gescheitert. Ich war zu klein um zu erkennen wer es ernst meint. Vertraue mir: Es gibt Leute, die es ehrlich meinen und wirklich helfen. Du musst nicht in dieser Situation bleiben. Du hast ein Recht darauf ohne Schmerzen, ohne Sex den Du nicht willst, ohne Lügen zu leben. Nimm es Dir. Wenn Du nicht weißt, wo Du anfangen sollst zu suchen, schreibe mir durch das Kontaktformular. Und ich werde Dir dann Adressen nennen.

 

Das Schweigen kannst Du auch durchbrechen. Glaube es mir, Du kannst. Wenn ich dies schaffe, kannst Du es auch. Ich habe nie gesagt, dass es leicht sein wird. Oh nein, das wird es teilweise gar nicht sein. Ich habe heute noch manchmal das Gefühl sterben zu müssen nur weil ich rede. Es waren so lange Geheimnisse. Geheimnisse, die weit in einem selbst verborgen waren. Aber es bleibt nur so lange ein Geheimnis so lange man es lässt. Manchmal habe ich das Gefühl es wird etwas Schlimmes geschehen, denn ich habe wieder einmal jemandem etwas erzählt. Das ist das, was man mir als Kind eingetrichtert hatte. Da war dann auch was Schlimmes passiert. Aber nun bin ich erwachsen und lebe mein Leben. Ich habe den Kontakt zur Familie abgebrochen, da dass das Sicherste für mich war. Das muss nicht bei anderen so sein. Sei Dir sicher: Es ist Dein Recht reden zu dürfen. Es ist Dein Recht es allen zu erzählen, die zuhören möchten. Und ein Schweigen muss nicht das ganze Leben lang andauern. Habe Mut, denn Du bist stärker, als die, die Dir das angetan haben. Stärker als Du denkst. Auch ich muss mich hin und wieder daran erinnern neuen Mut zu haben. Doch ich weiß, eines Tages werde ich frei sein. Aber vergessen werde ich nie. Und somit werde ich immer weiter reden. Das Schweigen durchbrechen. Und wenn es sein muss, auch für andere reden, deren Schweigen durchbrechen. Lass uns das gemeinsam tun. Es gibt eine Menge Leute die Dir glauben werden. Egal was Du erzählen magst. Habe Mut.

                                                                                                        

 

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